Compassion
"Wir dürfen die alten Menschen nicht ihrer Einsamkeit überlassen, an den Leidenden nicht vorübergehen. Wenn wir von Christus her denken und leben, dann gehen uns die Augen auf, und dann leben wir nicht mehr für uns selber dahin, sondern dann sehen wir, wo und wie wir gebraucht werden. Wenn wir so leben und handeln, merken wir alsbald, dass es viel schöner ist, gebraucht zu werden und für die anderen da zu sein, als nur nach den Bequemlichkeiten zu fragen, die uns angeboten werden"
Papst Benedikt XVI beim Kölner Weltjugendtag
Dienst als Lernziel für die Schule
Es gehört zu den vordringlichen Aufgaben der Schule, Schüler*innen für die Not, das Leid und die alltäglichen Sorgen anderer Menschen zu sensibilisieren. Das Schulprojekt "Compassion", zurückgehend auf eine Initiative der Zentralstelle Bildung der Deutschen Bischofskonferenz, stellt sich diesem Lernziel.
Ein zweiwöchiges Sozialpraktikum bildet den Kern dieses Projekts. Alle Schüler*innen der Klassenstufe 10 besuchen eine soziale Einrichtung und arbeiten mit in Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen, Altenheimen, Sterbehospizen, Kindertagesstätten, Essen auf Rädern, Sozialstationen u.a. Ein ausgefeiltes Konzept zur Vor- und Nachbereitung tritt hinzu.
Mit diesem Projekt wird seit Jahren am Johanneum versucht, ein besonderes Element pädagogischer Profilbildung in die Schullaufbahn eines*r jeden*r Schülers*in einzubinden. J.B. Metz übersetzt "Compassion" mit "Empfindlichkeit für das Leid des Anderen". Compassion ist damit eine Gegen-Haltung zur emotionalen Coolness und sozialen Gleichgültigkeit unserer Tage. Das Projekt "Compassion" will Solidarität und Kooperationsbereitschaft, Zuwendung und Wohlwollen, biblisch: Erbarmen und Barmherzigkeit stärken. Es will Haltungen fördern, die grundsätzlich durch kein Gesetz einklagbar sind und ohne die eine Gesellschaft doch nicht auskommt. Es will auf gesellschaftliche Mängel hinweisen und kann als eine schulische Veranstaltung doch nicht von Entwicklungen abhalten, die ihre Ursachen in der Gesellschaft haben. Die Schule kann nicht die Probleme der Gesellschaft lösen, aber sie kann zeigen, wie man diese Probleme reflektiert und welche Lösungsansätze es gibt.
Eine Schulbildung, die nicht zu Mitmenschlichkeit und Mitgefühl erzöge, verfehlte ihr Ziel. Carl Josef Reitz sagt es mit Paulus: "Erkenntnis ohne Liebe ist nutzlos." (1Kor 13,2). Und auch die Römer wussten bereits um den Zusammenhang von Bildung und Menschlichkeit, als sie beides unter ein und denselben Begriff fassten- humanitas.
Wir legen den Schüler*innen vor und nach dem Projekt einen Fragebogen vor und die Schüler*innen führen während ihres Praktikums ein Berichtsheft. Folgende Aussagen haben wir unter den Rubriken "Gutgetan hat mir" und "Schwergefallen ist mir" gefunden. Diese Aussagen zeigen, dass wir mit unserem Projekt, das übrigens zu Anfang des Schuljahres weder auf große Begeisterung noch auf vehemente Ablehnung stößt, keine Sozialromantik betreiben. Die Aussagen sind authentisch und zeigen, dass wir einiges von unserem Lernziel "Dienst" erreichen.
Hans Burgard & Johannes Priester
Sozialpraktikum Berichte
"Vom 21. Januar bis 1. Februar 2018 haben die Schüler*innen der Klassenstufe 10 ihr Sozialpraktikum "Compassion" absolviert. In zahlreichen sozialen Einrichtung in Homburg und Umgebung, bis in die Westpfalz hinein, haben sie Erfahrungen in der pädagogischen Arbeit mit Kindern, in der Unterstützung alter oder behinderter Menschen und in der Sorge für Patient*innen gesammelt.
Lehrer*innen des Johanneums, die die Praktikant*innen vor Ort besucht haben, konnten zumeist viel Lob und Anerkennung für die Arbeit der Jugendlichen mitnehmen. Das Sozialpraktikum gab manchem die Chance, Stärken und Begabungen zu zeigen oder gar zu entdecken, für die im schulischen Alltag z.T. nur wenig Raum ist.
Nach der Compassion-Zeit wurden Erfahrungen und Erlebtes u.a. auch im Religionsunterricht reflektiert und aufgearbeitet. Zum Abschluss feiern die Schüler*innen dann gemeinsam einen Gottesdienst, der im Zeichen von "Compassion" steht."
- Erfahrungen im Sozialpraktikum
"Compassion" der Klassenstufe 10
229 KB - Freude beim Sozialpraktikum
"Compassion" der Klassenstufe 10
215 KB - Aufgaben im Sozialpraktikum
„Compassion“ der Klassenstufe 10
215 KB
- die Abwechslung zur Schule.
- das Gefühl, Menschen geholfen zu haben.
- das Vertrauen, das man mir entgegengebracht hat.
- zu sehen, dass es auch noch lebenslustige alte Menschen gibt.
- die freundliche Aufnahme und das gute Arbeitsklima auf der Station.
- das Lächeln eines Babys.
- das Lob meines Chefs.
- dass ich ein eigenes Projekt starten durfte.
- als "Autoritätsperson" einen Konflikt schlichten zu können.
- dass sich alte Menschen sehr für die Jugend interessieren.
- gesagt zu bekommen, dass wir Sonnenschein in die Zimmer bringen und gute Laune verbreiten.
- der Tipp eines Patienten, wie ich die Zange richtig halten soll, um mehr Kraft auszuüben.
- das Spielen im Stuhlkreis.
- zum ersten Mal bei "Mensch ärgere dich nicht!" zu verlieren.
- dass die Kinder bei der dritten Wiederholung einer Geschichte noch genauso lachen wie beim ersten Mal.
- dass ein Kind mich mit in den Urlaub nehmen will.
- die Lebensfreude und der Humor mancher Patienten trotz bevorstehender Operationen.
- eine schwer kranke Patientin lachen zu sehen.
- als mir eine ältere Frau von ihrer Vergangenheit erzählt hat.
- einen kleinen Jungen, der Heimweh hatte, trösten zu können.
- dass die Kinder für mich ein Lied gesungen haben.
- dass ich zwei Heiratsanträge bekommen habe.
- dass ein Kind mich gefragt hat, ob ER was mit MIR spielen soll.
- wie unbeschwert Kinder sind und dass sie keine Vorurteile haben z.B. gegenüber Ausländern.
- die Offenheit, mit der die Klient*innen über ihre Gefühle, Erfahrungen und Krankheiten sprechen.
- zu sehen, wie durch Gespräche geholfen wird.
- bei der OP zuzuschauen.
- zu sehen, dass eine Patientin geheilt die Klinik verlassen darf.
- immer irgendwo gebraucht zu werden.
- Verantwortung zu übernehmen - gleich vom ersten Tag an.
- zu merken, dass die Patienten Geduld mit einem haben, wenn man nicht alles gleich richtig macht.
- die Freude einer Patientin darüber, das Mittagessen zu sehen.
- zu hören wie ältere Menschen - mit viel Freude - alte Lieder singen.
- zu sehen, dass man mit kleinen Dingen, wie z.B. mit Gesprächen und Hilfsbereitschaft, den Bewohner*innen eine Freude machen kann.
- die kranken, alten Leute zum Lachen gebracht zu haben.
- zu sehen, wie lebensfroh die Kinder trotz ihrer Behinderungen sind.
- die geringen Berührungsängste der Behinderten.
- das Gefühl, vermisst zu werden.
- zu merken, dass ich froh sein kann, dass es mir so gut geht.
- dass sich die Kinder um einen "Sitzplatz" auf mir gestritten haben.
- zu sehen, wie die Kinder beim Vorlesen gebannt lauschen.
- fröhliche Kinder zu sehen.
- dass ein Junge mir etwas zu frühstücken mitbrachte.
- dass die Kinder sofort meinen Namen gekannt haben und meine Hand nehmen wollten.
- dass ich viele Abschiedsgeschenke bekommen habe und dass mich die Kinder lieber im Kindergarten behalten würden.
- wieder in die Schule zu dürfen.
- so früh aufzustehen.
- mich in dem "Krankenhauslabyrinth" zurechtzufinden.
- zu lachen, obwohl es mir nicht danach war.
- beim Windelwechsel einer Patientin zu helfen.
- der Umgang mit eigensinnigen Patient*innen.
- den Puls zu finden.
- der Umgang mit einem HIV-positiven Patienten.
- der Umgang mit einem jungen Patienten, der wohl nicht mehr lange leben wird.
- zuzuhören, als einer Patientin gesagt wurde, dass der Krebs wieder ausgebrochen ist.
- eine Mutter wegen eines Befundes weinen zu sehen und nicht zu wissen, wie ich reagieren soll.
- die Tränen zurückzuhalten, als eine junge Frau mir erzählte, dass sie niemanden mehr hat.
- zu erkennen, wie viele Menschen Analphabeten sind und oftmals keinen Schulanschluss haben.
- immer freundlich und geduldig zu sein, obwohl man die gleichen Dinge schon zehnmal erklärt hat.
- zu sehen, wie ein Junge unter seiner Behinderung leidet.
- zu sehen, dass manche alten Damen so verbittert sind, dass sie an allem etwas auszusetzen haben.
- Kinder zurechtzuweisen, wenn sie nicht hörten.
- die Kinder davon zu überzeugen, ihr Kraut zu essen.
- die Kinder zum Aufräumen zu bewegen.
- den Kindern zu erklären, warum ich nicht bleiben kann.
- zu sehen, dass manche Eltern kaum Zeit für ihre Kinder haben.
- der Abschied.
- meine Hilflosigkeit am ersten Tag.
- immer ein offenes Ohr zu haben.
- die Angehörigen einer schwer kranken Patientin weinen zu sehen.
- auf Aussagen wie "Ich möchte noch nicht sterben" zu antworten.
- der Tod einer Patientin, mit der ich mich am Vortag noch unterhalten hatte.
- die Geduld zu bewahren.
- eine "Respektsperson" darzustellen.
- einem Kind seine Grenzen zu zeigen, ohne es zu kränken.
- zu sehen, wie unmotiviert manche Kinder sind.
- damit klar zu kommen, wie es bei manchen Kindern zu Hause abgeht und wie egal alles vielen Eltern ist.
- bei einem Schulkind die Nerven zu behalten, als es sich geweigert hat, die Hausaufgaben zu machen.
- den außergewöhnlichen Lärmpegel zu ertragen.
- die Aussage zu hören, "mit 17 hatte ich auch noch Träume".
- zu akzeptieren, dass ein Kind auf Grund seiner Religionszugehörigkeit nicht am Schwimmen teilnehmen darf.
- zu sehen, wie eine essgestörte Person wegen wiederholtem Regelbruch die Klinik verlassen musste.
- dass in Zukunft wichtige Behandlungen für Behinderte nicht mehr möglich sein werden wegen der Reformen bei den Krankenkassen.